Geld für Europas „Green Deal“
Europa soll bis 2050 als erster Kontinent klimaneutral werden, also die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null reduzieren. Auch die Finanzmärkte müssen dafür nachhaltig werden.
Das Ziel ist klar definiert: Bis 2050 soll Europa als erster Kontinent klimaneutral sein – Österreich gemäß den im Regierungsprogramm festgelegten Zielen sogar schon bis 2040. Das bedeutet, dass unter der CO2-Bilanz dann eine grüne Null stehen soll. In den nächsten 30 Jahren muss dafür eine moderne, ressourceneffiziente und wettbewerbsfähige Wirtschaft aufgebaut werden, die ihr Wachstum von der Ressourcennutzung abkoppelt und gleichzeitig niemanden ausklammert.
Der Weg dorthin scheint vielen als utopisch. Und die Ausgangssituation ist auch nicht rasend günstig. Im Jahr 2019 hat alleine Österreich einen Ausstoß von 72 Millionen Tonnen CO2 verursacht, die EU-27 Staaten gemeinsam rund 3,61 Milliarden Tonnen. Dennoch: Das am 11. Dezember 2019 vorgestellte Ziel der Dekarbonisierung soll – fast um jeden Preis – unbedingt erreicht werden.
Die Klimawende in der Wirtschaft soll auch die Rückschläge der Corona-Krise vergessen machen: Ein Drittel der Investitionen aus dem Aufbaupaket NextGenerationEU (NGEU) und dem Siebenjahreshaushalt der EU mit einem Umfang von insgesamt 1,8 Billionen Euro fließt in den Grünen Deal. Zur Finanzierung der zahlreichen, oft gigantischen Projekte wird die EU zahlreiche Anleihen (Green Bonds) im Umfang von bis zu 250 Milliarden Euro ausgeben. Anleger und Investoren können darin investieren und so von der Grünen Wende profitieren.
Mitte Juni wurde bei der ersten Transaktion im Rahmen von NextGenerationEU über eine Anleihe mit zehnjähriger Laufzeit, die am 4. Juli 2031 fällig ist, 20 Milliarden Euro mobilisiert, mit denen Europas Erholung von der Coronavirus-Krise und ihren Folgen finanziert werden soll. Seither wurden bereits etliche weitere Anleihen begeben, die allesamt mehrfach überzeichnet waren.
Grüne Anleihen für grüne Ziele
Johannes Hahn, EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung, dazu Anfang September: „Die Absicht der EU, bis Ende 2026 bis zu 250 Milliarden Euro an grünen Anleihen auszugeben, wird uns zum größten Emittenten grüner Anleihen der Welt machen. Dies ist auch Ausdruck unseres Engagements für Nachhaltigkeit und stellt ein nachhaltiges Finanzwesen in den Mittelpunkt der Aufbaumaßnahmen der EU.“
Der Rahmen für grüne Anleihen unter dem Dach von NextGenerationEU („grüne NGEU-Anleihen“) wurde im Einklang mit den Grundsätzen für grüne Anleihen der Internationalen Kapitalmarktvereinigung (ICMA), einem Marktstandard für grüne Anleihen, ausgearbeitet.
Konkret wird mit den Erlösen aus den grünen NGEU-Anleihen der Anteil der klimarelevanten Ausgaben an der Aufbau- und Resilienzfazilität finanziert. Jeder Mitgliedstaat muss mindestens 37 % seines nationalen Aufbau- und Resilienzplans – den Fahrplan für die Verwendung der Mittel im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität – für klimarelevante Investitionen und Reformen aufwenden, wobei viele Mitgliedstaaten beabsichtigen, diesen Mindestanteil zu überschreiten
Wofür das Geld benötigt wird – die Eckpfeiler des Green Deal
- Umgestaltung der Wirtschaft und der Gesellschaft
Alle 27 EU-Mitgliedsstaaten haben sich verpflichtet, die EU bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Dafür wurde vereinbart, die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren.
Dadurch eröffnen sich neue Chancen für Innovationen und Investitionen, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und nachhaltigem Wachstums, zur Verringerung der Abhängigkeit von Drittländern und der Verbesserung der Gesundheit und der Lebensbedingungen. Durch die Bekämpfung von Ungleichheit und Energiearmut werden gleichzeitig benachteiligte Bürger unterstützt. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen wird ebenfalls gestärkt. - Nachhaltige Gestaltung des Verkehrs
Eine umweltgerechte, intelligente Mobilität soll ein sauberes, erschwingliches und auch in abgelegenen Regionen zugängliches Verkehrssystem schaffen. Bis 2030 sollen die gesamten Pkw-Emissionen um 55 Prozent reduziert werden, die Lkw-Emissionen um 50 Prozent. Neuwägen sollen bis 2035 emissionsfrei sein.
Ein Mittel, um diese Ziele zu erreichen ist die CO2-Besteuerung. Ab 2026 wird der Straßenverkehr unter das Emissionshandelssystem fallen, was bedeutet, dass dem Verkehr die Kosten der Umweltbelastung angerechnet werden.
In weiterer Folge soll es eine CO2-Bepreisung auch beim Flug- und Schiffsverkehr geben und so die Entwicklung und Nutzung CO2-neutraler Treibstoffe und Antriebe gefördert werden. - Start der dritten industriellen Revolution
Der ökologische Wandel wird neue Märkte für saubere Technologien und Produkte schaffen und somit der Wirtschaft und der Industrie neue Chancen eröffnen. So könnten in der EU bis zum Jahr 2030 rund 35 Millionen Gebäude saniert werden, was geschätzt etwa 160.000 zusätzliche grüne Arbeitsplätze schaffen könnte – mit einem steigenden Bedarf an lokalen Arbeitsplätzen. Die Mitgliedsstaaten sollen jährlich mindestens drei Prozent ihrer öffentlichen Gebäude sanieren
Über einen Zeitraum von sieben Jahren werden 72,2 Milliarden Euro für die Sanierung von Gebäuden, den Zugang zu emissionsfreier und emissionsarmer Mobilität und auch für Einkommensbeihilfen bereitgestellt. - Sauberes Energiesystem
Damit die Emissionsziele für Treibhausgas erreicht werden muss einerseits der Anteil der erneuerbaren Energie auf EU-Ebene massiv gesteigert werden – die Messlatte dafür liegt bei 40 Prozent bis 2030 – gleichzeitig müssen aber auch weiter Energiesparmaßnahmen gesetzt werden. Der Endenergie- und Primärenergieverbrauch soll bis 2030 um 36 bis 39 Prozent reduziert werden. - Belebung der Natur und Schutz der Biodiversität
Die Wiederherstellung der Natur, Aufforstung und Schutz und Belebung der Wälder, Feucht- und Torfgebiete und der Biodiversität gehören zu den am schnellsten greifenden und günstigsten Möglichkeiten, um den natürlichen CO2-Abbau zu fördern und so dem Klimawandel entgegen zu wirken. Das Ziel ist, einen jährlichen natürlichen CO2-Abbau von 310 Millionen Tonnen zu erreichen. - Förderung globaler Klimaschutzmaßnahmen
Der Klimaschutz und die Klimaschutzprogramme der EU machen nicht an den EU-Außengrenzen Halt. Ein Drittel der weltweiten öffentlichen Finanzmittel für den Klimaschutz stammen aus der EU und ihren Mitgliedsstaaten. Mit Investitionen in Technologien für erneuerbare Energien wird etwa Know-how aufgebaut und es werden Produkte entwickelt, die weltweit dazu beitragen, den Klimawandel einzudämmen.